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Streaming-Studios: Gekommen um zu bleiben?

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Ralph Mauel betreibt unter der Firmierung studio-toGo.de mehrere Streaming-Studios und hat außerdem ein mobiles Angebot für die Realisierung von Digital- und Hybrid-Events. Wir haben ihn mal befragt, welche weitere Entwicklung er für dieses Marktsegment erwartet.

BlachReport: Seit Monaten beschäftigen sich viele Veranstalter mit Online-Events. Welches Fazit würden Sie ziehen und wie werden sich diese Angebote weiterentwickeln?

Ralph Mauel: Online-Events sind gekommen, um zu bleiben. Für Kunden, aber vor allem für die umsetzenden Dienstleister – ob Agentur, Veranstalter oder Veranstaltungstechniker – gilt: Ein Online-Event ist nicht ‚Präsenzveranstaltung, Kamera drauf und streamen‘. Wenn auch einige Beispiele dies nahelegen, so ist es damit nicht getan. Auch in dem ein oder anderen steckt wohl noch der Glaube, dass eine handelsübliche Webcam auf oder im Rechner, das integrierte Mikrofon und ein Foto im Hintergrund schon ein Online-Event ist.

Ich argumentiere gegenüber Kunden damit, dass er professionell gehört, gesehen und übertragen werden möchte und seine Wertschätzung gegenüber den Teilnehmern bedenken sollte. Das gelingt nur durch sehr gute Bild und Tonqualität dem Anlass oder der Botschaft entsprechend. Und je nach Anlass sollte eine fach- und themengerechte Kulisse oder Szene aufgebaut sein.

Wir von studio-toGo.de haben bereits vor der Pandemie Präsenzveranstaltungen digitalisiert und erstmals 2015 einen externen Redner online in eine Präsenz-Konferenz zugeschaltet. Auch die Einbindung von Teilnehmern in eine Veranstaltung mittels Interaktion und involvierender Tools und Formate haben wir bereits wiederholt eingesetzt.

Unsere Kunden – KMU aus Technologie, Industrie und dem Dienstleistungsbereich, kleinere Marktführer aber auch Organisationen, Verbände und natürlich Handel- und Bankengenossenschaften – haben uns immer vertraut, gemeinsam neue Wege zu gehen. Das kommt uns jetzt natürlich entgegen. Seit März 2020 haben wir auf Online, Streaming und virtuelle Botschaften, Events, Versammlungen, Kultur und Messen gesetzt. Den Risiken, die mit ‚einfach mal machen‘ verbunden sind, setzten wir unsere jahrzehntelangen Erfahrungen aus Technik und Dramaturgie sowie Konzeption und Ablaufregie aus ungezählten Präsenzveranstaltungen entgegen und haben offenbar vieles richtig gemacht.

Ich glaube, dass vor allem die hybriden Eventformate an Bedeutung und Qualität gewinnen werden. Bei diesen meist kleineren Präsenzveranstaltungen sind einige wenige Menschen vor Ort, und die große Masse der Teilnehmer kann sich über offene Plattformen zuschalten. Es wird deutlich, dass virtuelle Events nicht alleine eine Frage der Technik und Tools sind. In erster Linie und zu Beginn eines Projekts muss die Strategie, die Zielsetzung und daraus resultierend ein Konzept entwickelt werden. Dieses Konzept muss dem Teilnehmer Dramaturgie, Spannungsbogen, Erlebnis oder Wissen und Information bei einfachem Zugang ohne hinderliche Downloads oder gar Installation von Tools und Software zum Event ermöglichen. Dann bleibt er für die veranschlagte Zeit online und wird treuer Verfolger.

BlachReport: Sie sind selbst ein Studiobetreiber. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Was erwarten die Kunden?

Ralph Mauel: Die beiden Studios in Kreis Euskirchen sind unser Zuhause. Hier testen und probieren wir täglich neue Möglichkeiten, Anwendungen und Zusammensetzungen aus. Zu Ihrer Frage: Vor allem Kunden, die aufgrund der Aktualität der Ereignisse oder Krisensituationen, also sagen wir mal ‚unter Zeitdruck‘, schnell online sein müssen, sind uns extrem dankbar, dass wir gängige, mehrfach verwendete, nachhaltige Kulissen und Szenen bereits aufgebaut und diese schnell zur Verfügung stellen können. Hierdurch kommen wir gemeinsam schnell zur Entscheidung, vor welchem Hintergrund und in welcher Kulisse übertragen wird.

Die verbleibende Zeit kann somit vollständig für Inhalte, Training vor der Kamera, Texte, Technik, Ausspielung und Übertragungsmöglichkeiten und vor allem der Regie verwendet werden. Unsere Kunden wollen auch vieles einmal sehen und auch einiges ausprobieren. Diese Wünsche können wir in den Studios erfüllen, und hier können wir in minutenschnelle online gehen. Alle Kunden sind dankbar über unsere Tipps! Mit diesen gehen wir großzügig um und schaffen so Vertrauen und die Basis für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit.

BlachReport: Zusätzlich zum Studio haben Sie auch ein mobiles Angebot. Wer nutzt das und warum?

Ralph Mauel: In den letzten Monaten hatten wir Kundenanfragen, bei denen die Eventlocation oder auch Hotels für eine Präsenzveranstaltung bereits gebucht waren. Unsere Kunden wollten gegenüber diesen Vertragspartnern Zusagen einhalten, und so wurde der Online-Event dort umgesetzt. Andere Kunden wiederum haben den Wunsch geäußert, aus ihren Unternehmen oder vom Firmensitz aus den Event zu übertragen. Hier passt unsere Studio- und Streamingtechnik als To-go-Lösung super. Unsere mobile Lösung ist, auch im kleinsten Paket, höchst professionell. Ein weiteres Plus für studio-toGo.de ist, dass wir dem Kunden unsere eigenen Studios für verschiedene Formate und die Proben zu sehr guten Konditionen anbieten können.

BlachReport: Gibt es spezielle Herausforderungen bei der mobilen Lösung?

Ralph Mauel: Rein technisch gesehen nicht. Neben der Aufnahme-, Licht-, Ton- und Regietechnik können wir natürlich auch ein leistungsfähiges Breitbandnetz für die Übertragung und den Stromerzeuger mitbringen. Dennoch haben wir schon Hindernisse erlebt und diese meist auch bewältigt oder alternative Lösungen umgesetzt. Die meisten Hürden lassen sich schnell aufzählen:

  • das Teilnehmer ausschließlich per WLAN zugeschaltet sein wollen
  • Firewalls den Netzzugang verhindern
  • die Benutzerfreundlichkeit mehr Stellenwert hat als die DSGVO
  • das Firmennetzwerke oder der Datenschutz die Verwendung von Webtools verhindern

Für die To-go-Lösung benötigen wir einen Parkplatz – je nach Umfang der Leistung und Lieferung. Am besten ist ein ebenerdiger Zugang zum Streaming-Raum und, falls in den oberen Etagen, ein Aufzug.

Ansonsten ist für eine sehr gute Aufnahme viel Licht erforderlich und dieses ist am besten von oben, den Seiten und vor allem von vorne. Aufnahmen gegen jegliches Licht gehen nicht. Um diese Punkte also zu erfüllen, sind niedrige Räume oder Räume mit Glasfronten eher ungeeignet. Die Größe der Räume ist nicht ganz so entscheidend, da können wir mit entsprechenden Objektiven schon vieles herausholen. Die Regie braucht, wenn sie nicht in unserem LKW bleibt, jedoch auch ihren Platz. Viele dieser Kriterien können wir anhand von Raumplänen und Bildern bewerten. Um letztlich die Lösungen vorzuschlagen und eine Entscheidung treffen zu können, ist der Location-Check, bei dem Logistik, Infrastruktur, technische und IT-Situationen geprüft werden, unausweichlich.

BlachReport: Wie ist es mit der Ausstattung: Was wird für Digital-Events Ihrer Ansicht nach tatsächlich benötigt?

Ralph Mauel: Mit überwiegend nachhaltigen Materialien bauen wir dem Anlass oder Thema entsprechende Kulissen und Szene, damit aus der Bühne für den Kunden mehr TV-Format als Zoom-Standard wird. Die gängigsten Kulissen und vielfältige Einrichtungsgegenstände haben wir als Grundausstattung selbst im Portfolio und können beliebig ergänzen.

Für eine Arbeitssituation im Format einer Webkonferenz á la Zoom, Webex oder benötigt man theoretisch ‚nur‘ einen Laptop mit einer Webcam, oft die Installation eines entsprechenden Tools und einen Internetzugang. Für die tägliche Arbeit oder zur Anwendung im privaten Umfeld sind diese Lösungen sicher gut. Was man bei der Videokonferenz mit den Kollegen toleriert, geht bei einem Online- beziehungsweise Streaming-Event jedoch gar nicht.

Um das bleibende Erlebnis eines Events bei den Empfängern zu erreichen, muss der Inhalt professionell aufgenommen und übertragen werden. Das ist für mich auch eine Frage der Wertschätzung gegenüber den Empfängern und eine Frage des Inhalts, den der Sender vermitteln oder übermitteln möchte.

Wir arbeiten daher ergebnisorientiert mit mindestens zwei professionellen Kameras inklusive deren Bedienung. Hiermit können wir verschiedene Perspektiven und Blickwinkel einfangen und sorgen somit schon für Abwechslung im Bild. Die Kamerabilder funktionieren jedoch nur mit sehr guter Beleuchtung. Soft-LEDs sorgen für eine homogene Ausleuchtung und mit – dem Bedarf angepassten – Lichtprojektionen setzt der Lichttechniker die gewünschte Atmosphäre um. Das kennen wir vom Konzertbesuch; der Künstler steht zwar im Mittelpunkt, aber zu seiner Performance trägt auch die passende Beleuchtung mit Special Effects bei. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil für eine gute Übertragung besteht aus hochwertiger Mikrofonierung mit digitaler Übertragungstechnik jedes einzelnen Sprechers. So garantieren wir optimale Sprachverständlichkeit ohne Rauschen, Hintergrund- oder andere Störgeräusche. Der Ton machte schon immer die Musik.

Das Herzstück eines Online-Event ist aber die Regie. Die Videoregie konzentriert sich auf die Bildsignale von Kameras oder digital zugeschalteten Inhalten. In direkter Zusammenarbeit mit der Tonregie synchronisieren beziehungsweise embedden wie beides. Der Live-Regisseur übergibt das fertige Produkt per Streaming-Hard- oder Software ins Netz und somit auf alle gewünschten Online-Plattformen und -Kanäle.

BlachReport: Müssen Sie die Teilnehmer an Digital-Events vor dem Auftritt coachen? Bieten Sie auch Medientrainings an?

Ralph Mauel: Für die meisten Auftraggeber sind die Auftritte bei Online- oder Digital-Events neu. Also ja. Bei den bisherigen Veranstaltungen beziehungsweise Übertragungen kam es vor, dass aufgrund der fehlenden Zeitspanne von der Idee bis zum Online-Event kaum Zeit für ein professionelles Medientraining blieb. Aus unserer Sicht ist es aber wichtig und förderlich, sich mit Content/Storytelling, Manuskript und Präsentation eingehend zu beschäftigen. Ziel ist, eine gute Geschichte zu erzählen, die beim Zuschauer in Erinnerung bleibt. Das trainieren wir mit den Beteiligten. Jedes Training ist – wie das Eventkonzept selbst – individuell je Auftraggeber. Der Schwerpunkt liegt auf den praktischen Übungen. Wir trainieren verschiedene Situationen, gegebenenfalls in verschiedenen Kulissen unter Echtzeitbedingungen mit Technik und vor laufender Kamera und analysieren das Ergebnis umgehend.

BlachReport: Wie ist es mit den Abläufen beziehungsweise dem Konzept für einen Digital-Event? Wird das von Ihnen entwickelt?

Ralph Mauel: Der Auftraggeber hat immer eine Idee oder die Notwendigkeit für einen Event. In einigen Fällen ist die Idee bereits konkret, und wir können schnell ein Konzept erstellen, das Anerkennung findet. Alle Abläufe vor und hinter den Kulissen entwickeln wir selbst und übernehmen auch Regie und Projektmanagement beziehungsweise arbeiten dabei mit erfahrenden Kollegen zusammen.

BlachReport: 2021 sollen die Auswirkungen von Covid-19 durch Impfungen zurückgedrängt werden. Wann erwarten Sie so etwas wie ‚Normalität‘ und wie wird sich das auf Streaming-Studios und Digital-Events auswirken?

Ralph Mauel: Zwischen den Jahren haben wir unsere Strategie 2021/2022 formuliert. Wir vermuten, dass für das kommende Jahr vor allem im Kultursektor, für Stadtfeste sowie regionale Sportveranstaltungen keine oder nur mit enorm hohen Auflagen verbundene Genehmigungen erteilt werden. Im B2B-Markt werden Veranstaltungen wie im Herbst 2020 stattfinden können – natürlich unter Einhaltung der AHA-Auflagen und in Verbindung mit entsprechenden Hygienekonzepten.

Die Zukunft der Veranstaltungsbranche wird jedoch deutlich digitaler und virtueller werden. Die Auftraggeber werden ihre Budgets für Kommunikation und Marketing neu verteilen. Viele Veranstaltungen werden im Profil geschliffen und an Professionalität gewinnen, aber im Preis auch weiterhin günstiger als vergleichbare Präsenzveranstaltungen sein.

Es wird auch weiterhin Streaming-Studios geben – also Räumlichkeiten, die eigens für diesen Zweck eingerichtet wurden. Eine Marktbereinigung lässt sich allerdings jetzt schon voraussagen, denn viele Studios lassen sich nicht oder kaum wirtschaftlich betreiben. Wir haben das bereits bei der Konzeption berücksichtigt und können unser Studio am Zülpicher See mit 200 qm ebenerdiger Fläche und 3,6 Meter Raumhöhe und das Studio in der Betriebsstätte Obergartzem mit 400 qm und sieben Meter Raumhöhe aufgrund der Eigenregie zu sehr attraktiven Konditionen anbieten, also für weniger als 800 Euro am Tag. Und mit unserer mobilen To-go-Lösung können wir mit unseren Leistungen direkt zum Kunden oder einem beliebigen anderen Ort kommen.

BlachReport: Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.